Exkursion nach München "Verbotene Bücher"

Am 19. und 20. Januar 2024 waren wir auf Exkursion in München, um uns mit dem Thema Literatur unter den Bedingungen von Zensur und Diktatur auseinanderzusetzen – ein Thema, das in unserer Zeit, in der ein Erstarken illiberaler Tendenzen zu beobachten ist und in der in nicht wenigen Ländern wieder verstärkt Bücher verbannt, verboten und verbrannt und Autorinnen und Autoren aus politischen, moralischen oder religiösen Gründen verfemt und verfolgt werden, bedeutsam ist. Eine geführte Besichtigung des NS-Dokumentationszentrums brachte uns eindrücklich den Aufstieg des Nationalsozialismus im Kontext der in den 1920er Jahren in Bayern virulenten völkisch-antisemitischen Gärung vor Augen und vermittelte uns Einblicke in die Mobilisierungs- und Organisationspraxis und die Bedeutung von Buch- und Medienpropaganda, wie sie die Nationalsozialisten etwa über den Ausbau des parteieigenen Eher Verlags betrieben. Dass Überwachung und Lenkung des Literaturbetriebs, Einflussnahme auf das Lesen anhand von Zensur und Buchverboten keineswegs auf die Vergangenheit beschränkt sind, sondern weltweit – etwa im Iran oder in China, aber auch in Schulbibliotheken der USA – praktiziert werden, zeigte uns im Anschluss die Ausstellung des Münchener Literaturhauses „Verbotene Bücher“ in einer Vielzahl von aktuellen Fällen, die uns anhand der ausgestellten Buchexemplaren greif- und lesbar wurden. Bei einer Führung durch die Kuratorin Anna Seethaler durch die Ausstellung erhielten wir zudem interessante Ausführungen auch zum subversiven Umgang von Literaturschaffenden mit Überwachung und Zensur sowie berufspraktische Einblicke in Konzeption und Organisation der Ausstellung. Nachdem wir uns am Abend noch bei Ochsnbackerl und Kaiserschmarrn plaudernd erholt und dann verdient ausgeschlafen hatten, fand das dichte Programm am folgenden Mittag seine Fortsetzung: mit dem Besuch des Hildebrandhauses der Monacensia, einer stattlichen Künstlervilla, die heute zur Münchener Stadtbibliothek gehört. Bei einer Führung erhielten wir Einblicke in die bewegte Geschichte des Hauses und konnten in der ständigen Ausstellung „München zur Zeit Thomas Manns“ die andere Seite der Stadt kennenlernen, das München der literarischen Bohème mit Franziska zu Reventlow oder Erich Mühsam, Anziehungspunkt vieler Künstler und Schriftsteller wie Erika Mann oder Oskar Maria Graf, die, erklärte Gegner des Nationalsozialismus, ins Exil getrieben wurden und von dort aus ihre antifaschistische Arbeit fortsetzten.

Mit den Eindrücken und dem Wissen, das wir während der zwei Tage erhielten, gewinnt das Zitat von Salman Rushdie, mit dem die Ausstellung „Verbotene Bücher“ beginnt, einen noch deutlicheren Sinn: "Meinungsfreiheit ist die Freiheit, von der alle anderen Freiheiten abhängen“.

[Bericht: Dr. Tobias Christ, AB Buchwissenschaft, 23.01.2024]
Veröffentlicht am | Veröffentlicht in Allgemein