Seminar: Das Buch in der Gesellschaft:Von censura librorum bis ‚Cancel Culture‘ – Aspekte literarischer Zensur
Dozent:innen: Dr. Tobias ChristKurzname: 05.610.23_100
Kurs-Nr.: 05.610.23_100
Kurstyp: Seminar
Empfohlene Literatur
Begleitende Lektüre:- Plachta, Bodo: Zensur. Stuttgart: Reclam 2006.
Einstieg und Forschungsüberblick:
- Kanzog, Klaus: Zensur, literarische. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. 2. Aufl. Berlin / New York: de Gruyter 1984, Bd. 4, S. 998–1049.
- Müller, Beate: Zensurforschung: Paradigmen, Konzepte, Theorien. In: Rautenberg, Ursula (Hrsg.): Buchwissenschaft in Deutschland. Ein Handbuch. Berlin / New York: de Gruyter Saur 2010, Bd. 1, S. 321–360.
- Roßbach, Nikola (Hrsg.): Zensur. Handbuch für Wissenschaft und Studium. Baden-Baden: Nomos 2024.
Inhalt
Zensorische Kontrolle, Verbot und Vernichtung von Büchern bis hin zur Verfolgung von Literaturschaffenden, aber auch weniger offensichtliche, rechtliche und ökonomische Machtmittel und strukturell verankerte Formen der Regulierung literarischer Kommunikation prägen Buch- und Buchhandelsgeschichte und den Literaturbetrieb zum Teil bis heute. Seit der Erfindung des Buchdrucks wurden Zensur und Buchverbote einerseits, Literaturförderung und Propaganda andererseits immer wieder systematisch eingesetzt, um die Zirkulation von Ideen zu kontrollieren und zu beeinflussen. Begründet wurde (und wird) die Notwendigkeit von Überwachung und Lenkung literarischer Kommunikation dabei stets im Namen eines je anders definierten ‚Guten‘: Geschützt werden sollten vormals Kirche und Staat vor Häretikern und Umstürzlern, die Gesellschaft vor Unglauben und Sittenverfall, die Jugend vor ‚Schmutz und Schund‘, das Volk vor ‚rassischer Zersetzung‘, die Revolution vor ‚Abweichlern‘ und der Konterrevolution. Scheint Zensur heute nur mehr ein Relikt der Vergangenheit sein, dessen sich nur noch autoritäre Regime bedienen, so sind Formen zensorischer Kommunikationskontrolle und Diskursnormierung auch in der Bundesrepublik Deutschland und anderen westlichen Demokratien keineswegs verschwunden. Im Gegenteil: neben dem grundrechtlichen Gütern wie Jugendschutz und dem Persönlichkeitsschutz wird mediale Kommunikationskontrolle heute vor allem mit der Rechtsdurchsetzung im digitalen Raum und dem Schutz von Verfassung und Demokratie begründet. Herausgefordert von rechtspopulistischen Parteien, fake news und vom ‚Mainstream‘ abweichender subversiver Gegenöffentlichkeiten und entsprechender Publikationen in Presse, Buchhandel und im Internet, tendieren heute auch sich als liberal-demokratisch verstehende Regierungen – wie in Deutschland – dazu, die Meinungsfreiheit im Namen von ‚wehrhafter Demokratie‘ oder ‚Staatsräson‘ einzuschränken. Gleichzeitig verlagert sich zensorische Kontrollmacht im Zuge der Digitalisierung zunehmend auf private Medien- und Tech-Monopolisten, die mittels algorythmenbasierte Filter Informationsfluss und Wissensverbreitung ohne demokratischen Kontrolle regulieren.Die Fülle an Zensurphänomenen und Zensurvorwürfen bietet Anlass genug, sich einmal vertiefend mit zensorischen Praktiken in Buchhandelsgeschichte und aktuellem Literatur- und Medienbetrieb zu befassen. Ziel des Seminars ist es, anhand von historischen und aktuellen Fallbeispielen gemeinsam einen analytisch brauchbaren Begriff von Zensur zu erarbieten, mit dem sich zensorische Kommunikationskontrolle, ihre Formen und Funktionen systematisch differenziert im Spektrum und Funktionsgefüge anderer Formen von Kommunikationseinschränkung erfassen lassen. Hierzu werden eingangs Begriffe und Theorien aus der Zensurforschung vorgestellt und diskutiert, die im Laufe des Semesters an unterschiedlichen Zensurregimen und -praktiken aus der Literatur-, Buchhandels- und Kommunikationsgeschichte auf ihre analytische Tragfähigkeit hin erprobt und diskutieren werden sollen. Durch Vergleich verschiedener Zensurregime von der kirchlichen Vor- und Nachzensur der frühen Neuzeit, über die Verrechtlichung der Zensur im 19. Jahrhundert und die diktatorischen Regime des 20. Jahrhunderts bis hin zur heutigen Konzentration der Regulierungsmacht auf private Medien- und Techkonzerne werden unterschiedliche Formen und Instrumente der Zensur, Zensurträger und Zensurobjekte, Funktionsorte und Wirkungen von Zensur beleuchtet. Ergänzt durch Diskussionen zu aktuellen Zensurdirskurse und -kontroversen wie Restriktionen oder Trigger-Warnungen in Öffentlichen Bibliotheken, sensivity reading in Verlagen, dem 'Canceln' von Lesungen und Vorträgen oder Absagen von Preisverleihungen werden aktuelle zensurverwandte Phänomene kritisch diskutiert und eingeordnet.
Umgesetzt wird dieses Programm durch die Lektüre und Besprechung von Theorietexten und Forschungsbeitägen in Kombination mit eigener Quellenarbeit und Schreibaufgaben sowie mündlichen Seminardiskussionen.
Teilnahmemodalitäten und Prüfungsleistung werden in der ersten Sitzung genauer besprochen.
Termine
| Datum (Wochentag) | Zeit | Ort |
|---|---|---|
| 29.10.2025 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 05.11.2025 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 12.11.2025 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 19.11.2025 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 26.11.2025 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 03.12.2025 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 10.12.2025 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 17.12.2025 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 07.01.2026 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 14.01.2026 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 21.01.2026 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 28.01.2026 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 04.02.2026 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |
| 11.02.2026 (Mittwoch) | 16:15 - 17:45 | 02 473 P208 1141 - Philosophisches Seminargebäude |